Die Berechnung des Urlaubsanspruchs führt immer wieder zu Streitigkeiten zwischen Arbeitsnehmer und Arbeitgeber. Über einen sehr speziellen Fall hatte nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu entscheiden.
Wie berechnet sich der Urlaub, wenn ein Arbeitsverhältnis im laufenden Jahr endet und Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein neues Arbeitsverhältnis nach einer (kurzen) Unterbrechung beginnen ?
Um diese Grundkonstellation geht es :
Ein bestehendes Arbeitsverhältnis wird durch Kündigung in der ersten Jahreshälfte beendet. Die Vertragsparteien vereinbaren ein neues Arbeitsverhältnis, dass sich aber nicht unmittelbar an das erste anschließt. Auch das neue Arbeitsverhältnis wird im laufenden Jahr und bevor es sechs Monate bestanden hat, beendet.
Jetzt stellt sich die Frage:
Wie berechnet sich der Urlaubsanspruch?
Muss jedes Arbeitsverhältnis einzeln betrachtet werden? Wird die Gesamtbeschäftigungszeit zusammengerechnet oder spielt die Unterbrechung gar keine Rolle (=wird der Urlaub so berechnet als habe ein Arbeitsverhältnis vom ersten bis zum letzten Tag bestanden)?
Die grundlegenden Regelungen zum Urlaub finden sich im „Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer“, üblicherweise als Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) bezeichnet. (Auszüge des Gesetzestextes finde Sie am Ende des Artikels.)
Grundsätzlich berechnet sich der Urlaub je Arbeitsverhältnis einzeln.
Hier spielt es auch keine Rolle, ob mehrere Arbeitsverhältnisse bei einem Arbeitgeber oder bei mehreren Arbeitgebern begründet werden.
Somit müsste im vorbenannten Beispielfall für jedes Arbeitsverhältnis eine eigene Berechnung der Urlaubsansprüche erfolgen.
Der vom Bundesarbeitsgericht entschieden Fall war jedoch spezieller:
Das erste Arbeitsverhältnis endete aufgrund Kündigung zum 30.06. des Jahres. Noch vor dessen Ende (am 22.06.= vereinbarten die Parteien ein neues Arbeitsverhältnis aber „erst“ zum (Montag), den 02. Juli.
Die Unterbrechung dauerte also nur einen Tag.
Das Bundesarbeitsgericht hat am 20.10.2015 entschieden, dass eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses bei der Berechnung des Urlaubanspruchs des Arbeitnehmers jedenfalls dann unberücksichtigt bleibt, wenn schon vor der Beendigung feststeht, dass die Unterbrechung nur kurz sein wird.
Aus der Pressemitteilung ergibt sich allerdings auch, dass das Gericht davon ausgeht, dass grundsätzlich bei zwei aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen zwischen den gleichen Parteien der Urlaubsanspruch jeweils eigenständig zu berechnen ist.
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Ulrike Münzner, Rechtsanwältin für Arbeitsrecht
Die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.10.2015 zur Berechnung der Urlaubsdauer bei kurzer Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses finden Sie nachfolgend:
Urlaubsdauer bei kurzfristiger Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses
Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht nach § 7 Abs. 4 BurlG ein Anspruch auf Abgeltung des wegen der Beendigung nicht erfüllten Anspruchs auf Urlaub. Wird danach ein neues Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber begründet, ist dies in der Regel urlaubsrechtlich eigenständig zu behandeln. Der volle Urlaubsanspruch wird erst nach (erneuter) Erfüllung der Wartezeit des § 4 BurlG erworben. Der Teilurlaub gemäß § 5 BurlG berechnet sich grundsätzlich eigenständig für jedes Arbeitsverhältnis.
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. Januar 2009 beschäftigt. Arbeitsvertraglich schuldete die Beklagte jährlich 26 Arbeitstage Urlaub in der 5-Tage-Woche. Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2012. Am 21. Juni 2012 schlossen die Parteien mit Wirkung ab dem 2. Juli 2012 (Montag) einen neuen Arbeitsvertrag. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund fristloser Kündigung der Beklagten am 12. Oktober 2012. Die Beklagte gewährte dem Kläger 2012 drei Tage Urlaub.
Die Parteien haben noch darüber gestritten, ob die Beklagte verpflichtet ist, über 17 hinaus weitere sechs Urlaubstage mit 726,54 Euro brutto abzugelten. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, mit Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses beginne ein vom vorherigen Arbeitsverhältnis unabhängiger neuer urlaubsrechtlicher Zeitraum. Der Kläger habe deshalb für beide Arbeitsverhältnisse nur Teilurlaubsansprüche erworben. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Jedenfalls in den Fällen, in denen aufgrund vereinbarter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bereits vor Beendigung des ersten Arbeitsverhältnisses feststeht, dass es nur für eine kurze Zeit unterbrochen wird, entsteht ein Anspruch auf ungekürzten Vollurlaub, wenn das zweite Arbeitsverhältnis nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres endet.
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 20. Oktober 2015 – 9 AZR 224/14 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil vom 19. Februar 2014 – 1 Sa 1273/13 –
Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 47/15
Den Text des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) finden Sie auszugsweise hier:
§ 3 Dauer des Urlaubs
(1) Der Urlaub beträgt jährlich mindestens 24 Werktage.
(2) Als Werktage gelten alle Kalendertage, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind.
§ 4 Wartezeit
Der volle Urlaubsanspruch wird erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben.
§ 5 Teilurlaub
(1) Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer
a) für Zeiten eines Kalenderjahrs, für die er wegen Nichterfüllung der Wartezeit in diesem Kalenderjahr keinen vollen Urlaubsanspruch erwirbt;
b) wenn er vor erfüllter Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet;
c) wenn er nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahrs aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.
(2) Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind auf volle Urlaubstage aufzurunden.
(3) Hat der Arbeitnehmer im Falle des Absatzes 1 Buchstabe c bereits Urlaub über den ihm zustehenden Umfang hinaus erhalten, so kann das dafür gezahlte Urlaubsentgelt nicht zurückgefordert werden
§ 7 Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs
(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.
(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.
(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.
(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.