In manchen Branchen ist es üblich oder unvermeidlich, dass auch nachts gearbeitet wird. Wenn weder im Arbeitsvertrag noch in einem Tarifvertrag Regelungen hierzu bestehen, stellt sich die Frage, ob und ggfs in welcher Höhe dem Beschäftigten ein Anspruch auf einen Zuschlag zum üblichen Lohn zusteht.
Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) spricht von Nachtarbeit, wenn in der Nachtzeit zwischen 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr (in Bäckereien und Konditoreien 22.00 bis 05:00 Uhr) mehr als zwei Stunden gearbeitet wird. Weiter sieht das Gesetz vor, dass für geleistete Nachtarbeit eine „angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder ein angemessener Zuschlag auf das Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren“ ist. Wie hoch ein angemessener Zuschlag ist, regelt das Gesetz nicht.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat im Dezember 2015 über die Höhe eines Zuschlags entschieden. In der Sache ging es um einen LKW Fahrer der bei einem Logistiker im Linienverkehr regelmäßig zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr tätig war. Das BAG stellte zunächst klar, dass für Nachtarbeit regelmäßig ein Zuschlag von 25% auf den Lohn bzw. die Gewährung entsprechender bezahlter freier Tage als angemessener Ausgleich geschuldet sei. Nach dem BAG können im Einzelfall sowohl niedrigere als auch höhere Prozentsätze angemessen sein. Die benannten 25% stellen also keinen absoluten Wert fest, dienen aber als Anhaltspunkt.
Für die Bemessung des angemessenen Zuschlages kommt es unter anderem auf die Umstände der Erbringung der Arbeitsleistung im Einzelfall und die Dauerhaftigkeit der Belastung des Arbeitnehmers an. Im konkreten Fall hat das BAG festgestellt, dass der Arbeitnehmer mehr als 48 Tage im Jahr Nachtarbeit leistet und als Nachtarbeitnehmer einzustufen sei. Die sich hieraus ergebende Dauernachtarbeit stelle eine so erhebliche Belastung dar, dass ein Zuschlag von 30% angemessen sei. Sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber ist es wichtig, die Umstände des Einzelfalles anhand der von der Rechtsprechung benannten Kriterien zu messen, um die Höhe des angemessenen Zuschlags im Einzelfall ermitteln zu können.
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Ulrike Münzner, Rechtsanwältin für Arbeitsrecht
Die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 09.12.2015 zur Höhe des Zuschlags bei Nachtarbeit finden Sie nachfolgend:
Pressemitteilung Nr. 63/15
Angemessenheit eines Nachtarbeitszuschlags – Dauerhafte Nachtarbeit
Bestehen keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen, haben Nachtarbeitnehmer nach § 6 Abs. 5 ArbZG einen gesetzlichen Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag oder auf eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage. Regelmäßig ist dabei ein Zuschlag iHv. 25% auf den Bruttostundenlohn bzw. die entsprechende Anzahl freier Tage für die zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr geleisteten Nachtarbeitsstunden angemessen. Bei Dauernachtarbeit erhöht sich dieser Anspruch regelmäßig auf 30%.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Lkw-Fahrer im Paketlinientransportdienst tätig. Die Arbeitszeit beginnt in der Regel um 20.00 Uhr und endet unter Einschluss von Pausenzeiten um 6.00 Uhr. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden. Sie zahlte an den Kläger für die Zeit zwischen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr einen Nachtzuschlag auf seinen Stundenlohn iHv. zunächst etwa 11%. Später hob sie diesen Zuschlag schrittweise auf zuletzt 20% an. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm einen Nachtarbeitszuschlag iHv. 30% vom Stundenlohn zu zahlen oder einen Freizeitausgleich von zwei Arbeitstagen für 90 geleistete Nachtarbeitsstunden zu gewähren.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgeben, das Landesarbeitsgericht hingegen nur einen Anspruch iHv. 25% festgestellt. Die Revision des Klägers hatte vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Bestehen – wie im Arbeitsverhältnis der Parteien – keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen, haben Nachtarbeitnehmer nach § 6 Abs. 5 ArbZG einen gesetzlichen Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag oder auf eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage für die zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden. Regelmäßig ist dabei ein Zuschlag iHv. 25% auf den Bruttostundenlohn bzw. die entsprechende Anzahl bezahlter freier Tage angemessen. Eine Reduzierung der Höhe des Nachtarbeitsausgleichs kommt in Betracht, wenn während der Nachtzeit beispielweise durch Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst eine spürbar geringere Arbeitsbelastung besteht. Besondere Belastungen können zu einem höheren Ausgleichsanspruch führen. Eine erhöhte Belastung liegt nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen bei Dauernachtarbeit vor. In einem solchen Fall erhöht sich der Anspruch regelmäßig auf einen Nachtarbeitszuschlag iHv. 30% bzw. eine entsprechende Anzahl freier Tage. Da der Kläger Dauernachtarbeit erbringt, steht ihm ein Ausgleichsanspruch iHv. 30% zu. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein für die Zeit zwischen 21.00 Uhr und 23.00 Uhr gezahlter Zuschlag nicht anrechenbar. Ebenso wenig ist die Höhe des Stundenlohns des Klägers relevant. Erkennbare Anhaltspunkte dafür, dass in diesem bereits ein anteiliger Nachtarbeitszuschlag enthalten ist, bestehen nicht.
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 9. Dezember 2015 – 10 AZR 423/14 –
Vorinstanz Landesarbeitsgericht Hamburg
Urteil vom 9. April 2014 – 6 Sa 106/13 –
In einem ähnlich gelagerten Fall (- 10 AZR 29/15 -) hatte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 19. November 2014 – 7 Sa 417/14 -) die Beklagte zur Zahlung eines Nachtarbeitszuschlags in Höhe von 30% verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hat der Senat zurückgewiesen. In einem weiteren Fall (- 10 AZR 156/15 -) hat der Senat die Entscheidung der Vorinstanz (LAG München, Urteil vom 29. Januar 2015 – 4 Sa 557/14 -) aus prozessualen Gründen aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
*§ 6 Abs. 5 ArbZG lautet:
Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.