Wer Anspruch auf Mindestlohn hat, darf diesen auch fordern.
Nicht selten kommt es vor, dass die Umsetzung des gesetzlichen Mindestlohns in laufenden Arbeitsverhältnissen nicht durchgeführt wurde. Oft trauen sich die Arbeitnehmer auch nicht, den Mindestlohn einzufordern. Wenn der Mindestlohn eingefordert wird, reagieren einige Arbeitgeber recht kreativ in dem Sie, versuchen, die theoretischen Arbeitsbedingungen zu ändern, während praktisch Arbeitszeit, Arbeitsleistung und Lohn unverändert bleiben sollen.
Das schadet nicht nur dem betroffenen Arbeitnehmer sondern auch den Arbeitgebern, die sich als Mitbewerber der “schwarzen Schafe” an die gesetzlichen Vorgaben halten.
Das Arbeitsgericht Berlin hatte über einen nicht ganz untypischen Fall eines solchen “Schwarzen Schafs” auf Arbeitgeberseite zu entscheiden:
Ein Arbeitnehmer war als Hausmeiter beschäftigt. die wöchentliche Arbeitszeit betrug 14 Stunden. Das monatliche Entgelt 315,00 €.
Der Stundenlohn betrug mithin 5,19 €.
(Berechnung: 315 Euro x 3 Monate ./. 13 Wochen ./. 14 Stunden)
Der Arbeitnehmer forderte die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 €.
Der Arbeitgeber reagierte mit einem Änderungsangebot, wonach die Monatsarbeitszeit auf 32 Stunden herabgesetzt und das Entgelt auf 325,00 € geändert werden sollte.
(Dies entsprach einer Wochenarbeitszeit von rund 7,4 Stunden und einem Stundenlohn von 10,15 €.)
Der Arbeitnehmer lehnte das Änderungsangebot ab. Der Arbeitgeber kündigte hierauf das Arbeitsverhältnis.
Das Arbeitsgericht Berlin hat entschieden, dass eine Kündigung des Arbeitsgebers als Reaktion auf die Forderung des Arbeitnehmers zur Zahlung von Mindestlohn unwirksam ist.
Natürlich ist die Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin nicht für andere Arbeitsgerichte bindend. Aber die Entscheidung scheint schlüssig und richtig. Sie zeigt, dass die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns nicht nur “auf dem Papier” erfolgt ist, sondern erhebliche praktische Auswirkungen hat. Der bisherige Veröffentlichung lässt sich dies nicht eindeutig entnehmen, aber offenkundig sind sowohl der Arbeitnehmer als auch das Gericht überzeugt gewesen, dass sich am Arbeitsumfang nichts ändern sollte.
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Ihr Ansprechpartner in unserer Kanzlei bei allen Fragen um das Arbeitssrecht ist Susanne Rowold, Fachanwältin für Arbeitsrecht.
Den Text der Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Berlin vom 13.05.2015 zur Unwirksamkeit einer Kündigung bei Forderung des Mindestlohns finden Sie nachfolgend:
Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach Geltendmachung des Mindestlohnes unwirksam
Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist unwirksam, wenn sie von dem Arbeitgeber als Reaktion auf eine Geltendmachung des gesetzlichen Mindestlohnes ausgesprochen wurde. Dies hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden.
Der Arbeitnehmer wurde als Hausmeister mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden bei einer Vergütung von monatlich 315,00 EUR beschäftigt, was einen Stundenlohn von 5,19 EUR ergab. Er forderte von dem Arbeitgeber den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 EUR, worauf der Arbeitgeber eine Herabsetzung der Arbeitszeit auf monatlich 32 Stunden bei einer Monatsvergütung von 325,00 (Stundenlohn 10,15 EUR) anbot. Nachdem der Arbeitnehmer die Änderung der Vertragsbedingungen abgelehnt hatte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis.
Das Arbeitsgericht hat die Kündigung als eine nach § 612 a BGB verbotene Maßregelung angesehen. Der Arbeitgeber habe das Arbeitsverhältnis gekündigt, weil der Kläger in zulässiger Weise den gesetzlichen Mindestlohn gefordert habe; eine derartige Kündigung sei unwirksam.
Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 17.04.2015 – 28 Ca 2405/15
Quelle Pressemitteilung des Arbeitsgericht Berlin Nr. 11/15 vom 29.04.2015
Die amtlichen Leitsätze der Entscheidung lauten:
ArbG Berlin, 17.04.2015 – 28 Ca 2405/15
Amtlicher Leitsatz:
I.
Beantwortet der Arbeitgeber eines Kleinstbetriebes den Wunsch eines seit rund sechs Jahren bei 5,19 Euro (brutto) pro Stunde und wöchentlich 14 Arbeitsstunden beschäftigten Hauswartes nach Bezahlung des “Mindestlohns” mit einer Kündigung, so ist durch das objektive Geschehen ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB indiziert.
II.
Den Konsequenzen ist regelmäßig nicht mit dem nicht näher erläuterten Einwand des Arbeitgebers abgeholfen, er habe unlängst festgestellt, dass der Hauswart für seinen Aufgabenbereich anstelle der vertraglich bedungenen 14 Arbeitsstunden pro Woche auch mit 32 Stunden pro Monat auskomme, und sich deshalb die Kündigung selber zuzuschreiben habe, weil er sich weigere, einen entsprechend geänderten Arbeitsvertrag (mit praktisch gleicher Endvergütung: 325,– Euro statt bisher 315,– Euro) abzuschließen.