Nicht selten kommt es vor, dass am Arbeitsplatz die Emotionen hochkochen. Hierbei kann auch einmal eine Beleidigung „herausrutschen“.
Ob bei einer Beleidigung durch einen Arbeitnehmer eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist oder ggfs. zunächst mit einer Abmahnung oder Versetzung reagiert werden muss, hängt vom Einzelfall ab. Für die Beurteilung sind u.a. abzuwägen, welchen Grad die Beleidigung hat, wem gegenüber und in welchem Rahmen sie geäußert wurde.
Die grobe Beleidigung eines Vorgesetzten, die eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeutet, kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen.
Kritik am Arbeitgeber oder ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen dürfen Arbeitnehmer äußern. Hierbei mag im Einzelfall auch eine überspitzte Darstellung zulässig sein. Unsachliche Angriffe, die die Position des Arbeitgebers oder eines Vorgesetzten untergraben, muss sich die Arbeitgeberseite aber nicht gefallen lassen.
Einen Fall, bei dem der Arbeitgeber nicht fristlos kündigen durfte hat das Landesarbeitsgericht (LArbG) Rheinland-Pfalz in Mainz im Juli 2014 (Az 5 Sa 55/14) entschieden.
Zwischen einem Arbeitnehmer und seinem Vorgesetzten hatte ein Personalgespräch stattgefunden, das nach Meinungsverschiedenheiten damit endete, dass der Vorgesetzte den Arbeitnehmer mit den Worten „Raus hier!“ des Büros verwies. Am nächsten Tag äußerte sich der Arbeitnehmer gegenüber drei Arbeitskollegen abfällig über seinen Vorgesetzten („Der ist irre, der dürfte nicht frei herumlaufen“ oder „der ist nicht normal“). Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos.
Das LArbG hielt es zwar für zutreffend, dass die Äußerungen des Arbeitnehmers einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen können. Im konkreten Fall sei die fristlose außerordentliche Kündigung nach den Umständen wegen des Fehlens einer Abmahnung aber unverhältnismäßig.
Bei schweren Beleidigungen kann der Fall anders liegen, auch wenn „nur“ eine Kollegin oder ein Kollege beleidigt wird.
Das Landesarbeitsgericht Köln hat im März 2013 entschieden (11 Sa 663/12), dass Beleidigungen von Arbeitskollegen eine fristlose Kündigung auch ohne vorangegangene Abmahnung rechtfertigen, wenn die Beleidigung so erheblich ist, das der Arbeitgeber das Fehlverhalten nicht tolerieren kann.
Der vom Gericht festgestellte Sachverhalt spricht für sich:
„Der Kläger kam an diesem Tag aufgrund einer Auseinandersetzung mit seiner damaligen Partnerin und wegen Geldsorgen schlecht gelaunt in das Büro, welches er sich mit der Zeugin geteilt hatte. Er hat seine schlechte Laune an ihr, seiner ehemaligen Ehefrau, abgelassen. Er hat zunächst zornig ihren Laptop, an dem sie gearbeitet hat, zugeklappt, so dass sie ihre Hände wegziehen musste. Sodann hat er ihr den Weg am Schreibtisch versperrt als sie sich der Situation entziehen wollte. Schließlich hat er die Zeugin zweimal als „Fotze“ bezeichnet und seine grobe Missachtung dadurch unterstrichen, dass er sie bespuckt hat. Die Beleidigungen des Klägers sind nicht entschuldbar. Selbst wenn er wegen angeblich ausgebliebener Vergütung oder sonstiger privater Umstände verärgert gewesen war, rechtfertigt dies in keiner Weise, seine aufgestauten Aggressionen durch Beleidigungen der Zeugin abzulassen, zumal diese ihn in keinster Weise provoziert hat und um Deeskalation bemüht war.
Angesichts der Schwere der Beleidigungen und der damit verbundenen Schwere der Pflichtverletzung war eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung entbehrlich. Die Bezeichnung der Zeugin als „Fotze“ nebst Bespucken stellt eine hochgradig gehässige Ehrkränkung dar. Der Kläger musste angesichts der Schwere seines Fehlverhaltens wissen, dass die Beklagte als Arbeitgeber den Pflichtenverstoß nicht duldet und missbilligt. Besonders schwere Verstöße gegen vertragliche Pflichten bedürfen keiner vorherigen Abmahnung, wenn eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 24.03.2011 – 2 AZR 282/10).“
Eine fristlose außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten oder/und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar sind.
Als mildere Mittel gegenüber der außerordentlichen Kündigung sind (neben der ordentlichen Kündigung) Abmahnung und Versetzung anzusehen.
Insbesondere wenn die Vermeidung künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses durch eine Abmahnung (oder Versetzung) zu erwarten ist, ist regelmäßig auf das mildere Mittel zurück zu greifen.
Wenn bereits aus der Vergangenheit erkennbar scheint, dass eine Verhaltensänderung auch nach (einer ggfs. erneuten) Abmahnung nicht zu erwarten steht, kann die fristlose Kündigung gerechtfertigt sein.
Wenn die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers so schwer wiegt, dass (auch aus Sicht eines verständigen Arbeitnehmers) auch bei einem erstmaligen Vorfall für den Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses objektiv unzumutbar ist, kann das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt werden.
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Ulrike Münzner, Rechtsanwältin für Arbeitsrecht