Wer einen (unverschuldeten) Unfallschaden hat, kann seinen Fahrzeugschaden grundsätzlich nach einem Gutachten (oder Kostenvoranschlag) abrechnen. Er muss nicht reparieren lassen.
Man spricht von sogenannter “fiktiver Abrechnung”.
Wenn der Geschädigte nicht reparieren lässt, stellt sich das Problem, wie der Schaden zu beziffern ist. Die Sachverständigen haben in der Regel die Kosten einer markengebundenen Fachwerkstatt für die Bezifferung zu Grunde gelegt. Durch die Versicherer der Schädiger wird oft eine Kürzung vorgenommen und auf “durchschnittliche oder ortsübliche Stundensätze” hingewiesen. Der Geschädigte könne oder müsse zu einem billigeren Stundenpreis reparieren lassen, bzw. könne, wenn er nur fiktiv abrechnet, nicht den teuren Stundensatz der Markenwerkstatt verlangen.
Bis ins Jahr 2003 war nicht höchstrichterlich geklärt, ob der Geschädigte auch bei der fiktiven Abrechnung den Schaden auf Basis der Stundensätze einer Markenwerkstatt abrechnen kann.
Dies hat der BGH im Jahr 2003 mit dem als „Porsche-Urteil“ bezeichneten Urteil (s.u.) dem Grunde nach klar und eindeutig bestätigt.
Der Geschädigte darf bei der Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zur Bezifferung seines Schadens zu Grunde legen. Der Geschädigte muss sich nicht auf die bloß abstrakte Möglichkeit einer technisch ordnungsgemäßen Reparatur in irgendeiner kostengünstigeren Fachwerkstatt verweisen zu lassen.
Obwohl es sich hierbei um eine gefestigte Höchstgerichtliche Rechtsprechung handelt, zu der der BGH im Laufe der Jahre nur marginale Konkretisierungen vorgenommen hat, wird auf breiter Front von den Versicherungen der Versuch unternommen, die Ansprüche der Geschädigten zu kürzen.
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Nach einem Verkehrsunfall ließ die Klägerin ihren beschädigten Pkw Porsche zur Ermittlung der Reparaturkosten in ein “Porsche-Zentrum” verbringen. Dort wurden die Reparaturkosten unter Zugrundelegung der Stundenverrechnungssätze dieser Fachwerkstatt auf 30.368,30 DM geschätzt. Die Klägerin ließ eine Reparatur des Fahrzeugs nicht durchführen, sondern verkaufte es in unrepariertem Zustand und verlangte von den ersatzpflichtigen Beklagten Ersatz fiktiver Reparaturkosten in genannter Höhe. Die beklagte Versicherung zahlte hierauf jedoch lediglich 25.425,60 DM, da der Klägerin kein Anspruch auf Ersatz der im “Porsche-Zentrum” anfallenden Lohnkosten zustehe. Vielmehr seien der Schadensberechnung die von der DEKRA ermittelten mittleren ortsüblichen Stundenverrechnungssätze zugrunde zu legen.
Dieser Auffassung ist der Senat nicht gefolgt. Ziel des Schadensersatzes ist die Totalreparation, wobei der Geschädigte nach schadensrechtlichen Grundsätzen sowohl in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung als auch in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei ist. Dies gilt auch für fiktive Reparaturkosten. Zwar ist der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Jedoch braucht sich die Klägerin nicht auf die bloß abstrakte Möglichkeit einer technisch ordnungsgemäßen Reparatur in irgendeiner kostengünstigeren Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Auch bei Abrechnung fiktiver Reparaturkosten kann nicht ein abstrakter Mittelwert Grundlage für die Berechnung der im konkreten Schadensfall erforderlichen Reparaturkosten sein. Auch bei fiktiver Schadensberechnung ist grundsätzlich Maßstab das Verhalten eines wirtschaftlich vernünftig denkenden Geschädigten zum Zwecke der Schadensbehebung. Dazu gehört auch die Entscheidung des Geschädigten, sein Fahrzeug in einer markengebundenen Fachwerkstatt reparieren zu lassen. Anderenfalls würde die dem Geschädigten in § 249 Abs. 2 S. 1 BGB eröffnete Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie in einer mit dem Gesetz nicht zu vereinbarenden Weise eingeschränkt. Nach diesen Grundsätzen darf die Klägerin daher der Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze des “Porsche-Zentrums” zugrundelegen, auch wenn diese über den von der DEKRA ermittelten Sätzen der Region liegen. Dies gilt im Hinblick auf die dem Geschädigten zustehende Dispositionsfreiheit auch dann, wenn der Geschädigte das Fahrzeug wie hier unrepariert weiterveräußert.
Urteil vom 29. April 2003 – VI ZR 398/02
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 56/2003 vom 20. April 2003
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